Mit einer guten Stunde Verspätung ist das Fernsehteam vor Ort. Es werden Aufnahmen gemacht wie ich mit dem Rad daher gefahren komme, erstaunt auf meine Karte schaue, das hier bin und der kleine Didi mir entgegen läuft. Der Einzige der seine Sachen gleich beim ersten Mal, zur Zufriedenheit aller Umstehenden, erledigt, ist der kleine Vierbeiner vom Straßenrand. Alle sind entzückt, was immer wieder die Kuriosität der Umstände unterstreicht. “Der Radreisende und sein kleiner Freund” Und vor dem Tor laufen scharenweise Streuner umher. Als alles im Kasten ist, bekommen wir eine Einladung zu Manfred, ein Schweizer Journalisten, der sich hier sein Lebensmittelpunkt eingerichtet hat. Er möchte ebenfalls ein Interview mit mir machen, allerdings mit weitaus interessanteren Fragen und Gedanken. Er berichtet sei Jahren über die medialen Missstände der Berichterstattung. Gerade was die ehemaligen Ostblockländer angeht und deren Ruf.
Die Tage vergehen wie im Flug und nach unserem Interview bei Manfred bleiben Viktor uns seiner Frau nur noch wenige Tage bevor ihr Rückflug nach Deutschland ansteht. So langsam werden bei mir auch die Gedanken klarer, wie es jetzt weitergehen soll. Nach dem ersten Tierarztbesuch in der kleinen Praxis in Suchum ist mir klargeworden, dass noch sehr viele Hürde zu nehmen sind. Die Ärzte haben mir gesagt der kleine Didi hat eine Hautkrankheit und kann daher nicht ausreisen. Unmöglich ist das. Doch davon will ich mich nicht abschrecken lassen. Ich fahre ab sofort nach Russland zum Tierarzt. Nach einiger Recherche habe ich, mit Tatjanas Hilfe, einen in Adler ausfindig gemacht, der direkt an der Grenze seine Praxis hat. Adler, der Ort an dem ich vor mehr als 3 Wochen in Richtung Suchum abgefahren bin. Ich bin also immer noch hier obwohl mein Impuls am Flughafen, eindeutig war, endlich weg zu kommen. Tatjana bittet die beiden Jena und Nastja mich an der Grenze abzuholen und mit mir zum Tierarzt zu gehen. Alles klappt wunderbar. Wobei der Hinweg nach Adler mehr als einfach war. Viktor organisiert mir ein Minitaxi, welches mich mit anderen Mitfahrern bis zur Grenze fahren soll. Didi und ich sind die Ersten, die Morgens gegen fünf Uhr einsteigen. Wir sind aber auch die Ersten die nach gut 15 km wieder am Straßenrand rausgeworfen werden. Der Hund stinkt angeblich und überhaupt. Es gibt ein kurzes Streitgespräch um halb sechs Uhr morgens, da der Fahrer dreister weise auch noch 300 Rubel für die bisher geleisteten Kilometer haben will. Die komplette Fahrt von 130 km hätte 800 Rubel gekostet. Ich bezahle keine einzige Kopeke und er droht mir mit Polizei. Kein Problem schreien wir uns an und dann fährt er wütend davon. Das geht ja gut los und zum ersten Mal merke ich, was es heißt, mit einem Hund in einem Land unterwegs zu sein, wo den treuen Vierbeiner nichts geschenkt oder für sie gar ein halbes Vermögen ausgeben wird. Schon der Aufwand mit Didi zum Tierarzt zu fahren stößt bei den meisten auf Kopfschütteln. Immer wieder werde ich gefragt, warum.
Nach einer halben Stunde warten, an der nächsten Bushaltestelle kommt ein Minibus. Der Fahrer schaut ebenfalls skeptisch, nimmt uns aber mit. Ich quetsche mich in die letzte Reihe und wickel den Hund wieder in meine Jacke. Von uns beiden ist nichts zu hören. Schon die ersten Meter mit Didi in einem Auto, verliefen ohne Probleme. Aber die Vorbehalte bleiben immer, auch wenn von dem Hund nichts zu hören, zu sehen oder zu riechen ist.
Gegen acht Uhr kommen wir an der Grenze an. In den Tagen vorher habe ich mir in Suchum beim Amtstierarzt einen nicht ganz ehrlichen Hundepass besorgt. Alle nötigen Impfungen und ein amtlich bestätigtes Dokument für die Ausfuhr gab es für ca. 30 €. An der Grenze gibt es keine Probleme, alles läuft glatt und der Pass wird für gut befunden. Geschafft. Gegen neun treffe wir auf Jena und Nastja. Ich möchte nicht wissen was die beiden in dem Moment gedacht haben, als sie mich mit dem Hund am Straßenrand, haben sitzen sehen. Innerlich haben sie wahrscheinlich die Hände über den Kopf zusammengeschlagen. Aber nicht wegen Didi, die beiden haben selber zwei Straßenhunde aufgesammelt und immer ein riesigen Sack Futter im Auto, nein, das ich immer noch hier bin.
Wir begrüßen uns herzlich und fahren zum Tierarzt. Dieser ist etwas reserviert als wir die Praxis betreten und meint wir sollen gegen Nachmittag nochmal wiederkommen. So freudestrahlend wie Didi in die Praxis gelaufen ist kommt er auch unverrichteter Dinge wieder heraus. Schlechte Erfahrungen hat er ja bisher noch nicht gemacht. Und immer gab es was Leckeres zu fressen. Wir vertreiben uns die Zeit bis zum Termin am Nachmittag. Ich überlege mir, meine provisorische Leine, bestehend aus einem alten Gürtel als Halsband und Spanngurten gegen eine neues Set einzutauschen. Auch das an der Leine laufen, vorher nie notwendig und probiert, hat für unseren Auftritt an der Grenze problemlos geklappt. Dieser Hund macht einfach alles mit.
Am Nachmittag bekommt Didi, eine Wurmkur, Blutuntersuchung, einige weitere Spritzen, spezielles Futter und Shampoo. Ausgestattet mit allen Utensilien verlassen wir den Laden. Der kleine Knopf hat mittlerweile, in den letzten Wochen, das doppelte an Gewicht zugelegt.
Wir verbringen noch drei Tage in Sotschi, da am Montag erst der vermeintliche Amtstierarzt für die Ausreisedokumente offen hat. An diesem Wochenende ist Formel eins und wir genießen, seit langer Zeit, mal wieder den Trubel der vielen Menschen. Ich nutzte auch die Möglichkeit um einfach mal für ein paar Tage abzuschalten. Am Montag stellt sich jedoch heraus, dass der eigentliche Amtstierarzt uns nicht das ausstellen kann was wir wollen. Anders als in Suchum müssen wir nach Sotschi, doch dafür ist es heute zu spät. Wir fahren mit dem nächsten Minibus zurück nach Suchum. Am Bahnhof werden wir von Viktor abgeholt. Was für ein Wochenende und schon wieder ist eine weitere Woche um.
In zwei Wochen muss ich wieder nach Adler zum Tierarzt, zur Kontrolle. Da Didi Milben hat und ich gelesen habe, das Hautprobleme sehr langwierig sein können, will ich mich unbedingt an die Terminabsprache halten, obwohl mir der Gedanke an die Fahrt zum oder vom Tierarzt, immer wieder Kopfzerbrechen macht. Der Hund wird ja auch nicht kleiner. Meine Gastfamilie hat uns schon vermisst und freut sich das wir wieder da sind. Ich helfe wo ich kann, um wenigstens nicht die das Gefühl zu haben, allen nur auf der Tasche zu liegen. Und so kommt es, dass ich nur mit einem Taschenmesser bewaffnet die hauseigene Straßenlaterne repariere, Kabel neu verlöte oder einfach, im Freien liegende und provisorisch zusammen gezwirbelte Kabel neu verbinde und isoliere.
Da Viktor nicht nur ein äußert hilfsbereiter Kerl ist sondern auch noch extrem fleißig und ein Idealist durch und durch ist, helfe ich ihm ab und an bei seiner morgendlichen Runde am Strand, Müll aufsammeln. Man sieht einen deutlichen Unterschied, zwischen den Bereichen, wo Viktor tätig ist und wo nicht. Aber es sind nicht unbedingt die Badegäste die ihren Unrat liegen lassen, nein, der meiste Dreck kommt aus dem Meer. Sobald die Wellen höher sind und bei gutem Wind auf Land treffen, hinterlassen sie eine einzige Müllhalde, aus Plastikflasche, Dosen, Seilen, Netzen etc. Es ist ein Kampf gegen Windmühlen. Aber Viktor geht selber hier baden, jeden Morgen schwimmt er gut 2-3 km, für seine Gesundheit und das sieht man ihm an und daher möchte er nicht im Müll versinken, ihm ist es nicht, wie den Meisten egal.
Fast täglich besuche ich ihn und seine Frau. Gewöhnt hat sie sich an mich, aber eher mit Unbehagen . Nach unserem Besuch bei Manfred ist Viktor ein Malheur passiert. Die Autotür der Beifahrerseite war danach kaputt. Ein riesiger Tumult. Nur wie erklären wir das seiner Frau? Ich kann über diese Story kurz berichten, da sie diese Zeilen nicht ohne weiteres verstehen kann. Beim Abbiegen ist uns ein entgegenkommender Lada in die Tür geknallt. Zum Glück ist nichts passiert, nur Blechschaden. Aber zu allem Unglück, stiegen aus dem alten Lade fünf Polizisten aus. Es wollte gar nicht mehr aufhören. Und dann standen wir da, in Erklärungsnot, da wir eine durchgezogene Linie überfahren haben, nachdem uns ein Fahrer per Lichthupe signalisiert hat, wir könnten fix abbiegen. Ein Trugschluss wie sich gezeigt hat. Doch anstatt die Sache zu erklären, fängt Viktor an, den Unfallbeteiligten zu erzählen, dass ich mit dem Fahrrad hier bin und einen Hund gefunden habe. Völlig unter Schock und alle anderen völlig schockiert, wird der Tumult immer größer. Bevor es ausartet wird der Schaden begutachtet. Der Lada hat eine leicht verbogene Motorhaube ansonsten keinen Kratzer. Die Tür von Viktors Auto, reden wir nicht drüber. Wir können froh sein, das die Schnauze des Ladas nicht in unserem Fahrgastraum halt gemacht hat. Doch der Gipfel der Geschichte sollte noch kommen. Bezahlt wird der Schaden immer gleich vor Ort, in Bar. Und bei fünf Polizisten als Zeugen ist es eindeutig wer Schadensverursacher ist. Da wir kein Bargeld dabei haben, schlägt Viktor vor, nach Hause zu fahren um Geld zu holen. Auf ein kurzes Nachfragen hin, wie er den Vorfall seiner Frau erklären wolle, zudem wir mit fünf Polizisten im Schlepptau anrücken würden, lies er die Idee wieder fallen. In einem nahegelegenen Supermarkt finden wir einen Geldautomaten und ich hebe 15.000 Rubel ab. Das sollte reichen und alle sind zufrieden, wobei ich immer noch der Annahme bin, das die fünf uns abgezogen haben. Doch Viktor versichert mir, dass er den einen Polizisten kenne. Er und sein Vater sind alte Bekannt. Ich glaube ihm.
Wir setzten unsere Fahrt mit der kaputten Tür fort. Es zieht ganz schön aber das Glas ist noch ganz. Auf der Fahrt beratschlagen wir, wie wir die Geschichte Viktors Frau schonend beibringen können. Schließlich wird heute Abend nichts mehr erzählt. Ich werde in meine Unterkunft gefahren und Viktor erzählt seiner Frau eine ziemlich skurrile Geschichte. Als ich am nächsten Tag zum Mittagessen dort vorbeischaue, kommt mir Viktors Frau aufgeregt entgegen und meint das gestern Abend, als Viktor mich nach Hause gefahren hat, auf dem Rückweg, ein Pferd, welches auf der Straße stand und nicht zu Seite gehen wollte, durch das Hupgeräusch aufgeschreckt wurde und mit beiden Hinterbeinen die Beifahrertür eingetreten hat. Ich muss aufpassen, dass ich meinen Mund wieder zubekomme. Echt jetzt, so eine Geschichte und das hat sie ihm abgekauft. Wo doch hier hunderte Kühe und Pferde tagtäglich die Straßen säumen. Wahnsinn. Ich spiele den Ahnungslosen und tue völlig überrascht und schockiert. Am letzten Tag bitte ich Viktor die Geschichte bei einer ruhigen Minute richtig zu stellen. Ich hoffe ich sehe ihn irgendwann wohlbehalten wieder!
Jetzt war ich natürlich unten durch. Das ständige hin und her gefahre, wegen mir, dem Hund und jetzt noch eine kaputte Tür. Dies Bürde musste ich nun tragen, aber dafür wurde mir auch viel geholfen. Aber wieder einmal wurde mir deutlich, dass die romantische Vorstellung, mit Didi auf dem Packsack, so nicht mehr möglich ist. Die Hürden der Bürokratie sollen noch höher werden. Besonders wenn es um die Einreise in EU Staaten geht. Daher ist das Timing für Didi und mich, mehr als schlecht. Aber auch das werden wir meistern.










