Grenzerfahrungen…

In Ristina bekommen wir endlich Klarheit, was den vermeintlichen Waschplatz angeht, an dem wir vor einigen Wochen, in Uusikaupunki, unsere Wäsche gewaschen haben. Als wir nach dem Frühstück zu dem Waschplatz vorfahren und unser Geschirr abspülen wollen, treffen wir auf eine handvoll Finnen, die fleißig dutzende Teppiche schrubben, in die Mangel nehmen, aufhängen, ausklopfen oder einweichen lassen. Wir sind über das bunte Treiben, beim Geschirrspülen genauso erstaunt, wie die Gegenüber von uns. Endlich können wir auch diese Frage für uns abhacken. Wir schwingen uns auf die Räder und fahren über einen kleinen Umweg nach Nikinsalmi und Hurissalo Richtung Puumala.

Nach der Hälfte der Strecke wird aus der asphaltierten Straße, nach und nach eine Schotterpiste. Ein Blick auf unsere nicht ganz maßstabsgetreue Karte lässt erste Zweifel aufkommen, ob wir noch richtig sind. Die ersten Male können wir uns noch Mut zusprechen und machen uns weiter die staubige Piste entlang. Einige Male halten wir noch an, vergleichen Ortsnamen, eingezeichnete Seen und Kurven mit unserem bisherigen Streckenverlauf. Zu guter Letzt stehen wir an einer Kreuzung, mitten im Wald und alle Mühe, dem Mobiltelefon nochmal neues Leben einzuhauchen oder die Karte noch etwas besser lesen zu können, scheitern. Wieder geben wir uns einen Ruck und probieren noch ein paar Pistenkilometer. Allmählich verlässt uns doch der Mut und wir erwägen umzukehren. Und während wir so nach denken und die Räder langsam ausrollen lassen, steht eine ältere Frau am Straßenrand, tiefgebäugt und Unkraut schneidend, welches um kleine, frisch gewachsene Tannen, wuchert. Ein Anblick wie im Märchen. Weit und breit kein Auto, welches die Frau hierher gebracht haben könnte, ganz zu schweigen von einem Haus oder einer Hütte im Wald. Wir halten an und fragen überglücklich nach dem Weg. Mit Händen und Füßen wird uns erklärt, dass wir in auf dem richtigen Weg sind und es nicht mehr lange dauern wird. Ein Stein fällt uns vom Herzen und wir können es kaum glauben, was gerade passiert ist. Mit neuer Energie und voller Freude, nicht den ganzen Weg umsonst gefahren zu sein, strampeln wir gen Puumala.

Kurz vor unserem Ziel erreichen wir einen Campingplatz, der schon seit einigen Jahren nicht mehr aktiv genutzt wird. Das ehemalige Restaurant und das Häuschen der Rezeption erinnern noch an den Glanz der alten Zeit. Einige Camper stehen an diesem gemütlich, aber doch etwas unheimlich wirkenden Ort. Nach kurzer Überlegung machen wir für heute Schluss und gesellen uns dazu. Wir brauchen unsere letzten Vorräte auf, Nudeln mit Tomatensoße. Für das Nudelwasser müssen wir uns heute aus dem angrenzenden See bedienen und somit kommt erstmals, der uns anvertraute Wasserfilter zum Einsatz. Wunderbar und genauso lässt sich auch dieser Tag zusammenfassen.

Am nächsten Morgen erreichen wir nach 20 km Puumala. Ein kleiner beschaulicher Ort, der in der Hauptsaison von Touristen schier überflutet wird. Zumindest deuten die zahlreichen Souvenirläden und Kaffees stark darauf hin. An diesem Tag macht uns das Wetter das erste mal einen Strich durch die Rechnung. Es fängt gegen Mittag heftig an zu Gewittern. Zunächst überbrücken wir die Zeit des Wartens in einem gemütlichen Kaffee und hängen unseren Gedanken nach. Stunden vergehen und der Regen nimmt einfach kein Ende. Eine Weiterfahrt für heute kommt für uns nicht mehr in Frage und so gönnen wir uns eine kleine Hütte auf dem Campingplatz im Ort. Um den Tag doch noch mit einem Schmankerl abzurunden, besorgen wir kurzer Hand noch etwas Lachs im Supermarkt um die Ecke und buchen die Sauna für 20 Uhr. Tiefen entspannt und satt erleben wir den zweiten Sieg der russischen Nationalmannschaft bei der WM.

Der Morgen naht und der Regen lässt allmählich nach. Gegen neun hat es schließlich aufgehört und die Sonne strahlt mit voller Kraft. Allerdings haben wir ein scheinbar neues Problem. Sehr starken Wind. Mit bangen Blick packen wir unsere Sachen zusammen und satteln unsere Räder. Wieder fahren wir die Hauptstraße durch den kleinen, gemütlichen Ort Puumala. Wieder haben wir mit dem Wetter zu kämpfen. Ein Dejavu. Unsere Route führt oben auf der Brücke entlang. Der markierte Radweg führt uns direkt zum Lift. Zweite Etage bitte, und schon geht es 40 Meter in die Höhe. Auf der Brücke drücken heftige Seitenböen. 70 km sind es bis nach Imatra und somit zur Grenze nach Russland. Wieder überlegen wir lange was das Beste wäre und entscheiden uns dann schließlich die Strecke unter diesen Bedingungen auf uns zu nehmen. Die ersten 10 km sind sehr schwer und es scheint zum Scheitern vorprogrammiert zu sein. Doch der Wind fängt an zu drehen und mit einem mal haben wir Rückenwind, wie wir ihn bisher noch nie erlebt haben. Die restlichen 60 km legen wir in drei Stunden zurück, bergauf-bergab. Es scheint so, als wolle uns Finnland nun endlich los werden. In Imatra machen wir letzte Besorgungen und tanken nochmal voll. Die Grenze liegt fast in Sichtweite, noch 6 km, trennen uns von Russland.